Schach im Gefängnis, Fitness im Freien
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Doch auch andere machen sich dort nützlich: Im Jahr 2021 gab es 32 gemeinnützige Vereine und Unternehmen vor Ort, die den Menschen unter die Arme greifen. So auch Gianni Maddaloni, von allen „O’ mae’“ genannt und Leiter der Judoschule Star Judo. Hier lernte Pino, der Sohn von Gianni, sein Handwerk und holte bei Olympia 2000 in Sydney Gold. Eine Geschichte, die in die lokalen Annalen eingegangen ist. Hier bietet sich für viele junge Menschen ein sicherer Hafen, wo ihnen Disziplin und Respekt vor Regeln gelehrt wird. Hier lernt man fürs Leben.
Eine Lebensphilosophie
Gianni ist ein Sohn Scampias. Wie alle Kinder rannte er durch die Höfe und saugte das Leben, das ihm geboten wurde, auf. „Als ich ein Kind war, hielten mich meine Eltern von der Straße fern. Doch dann starb mein Vater und ich geriet auf die schiefe Bahn“, erzählt der Judoka auf dem Portal der Initiative „Nel cuore il paese“ der BCC (Banche Credito Cooperativo), eine der Sponsoren der Judoschule, „mit 16 Jahren fuhr ich mit dem Motorroller herum und schikanierte meine Mitmenschen. Ich war drauf und dran, mich mit den falschen Menschen anzufreunden und einen gefährlichen Weg einzuschlagen.“ Bei seinem Lebenswandel half ihm Enrico Bubani, ein Judomeister, der von allen „Lupo“, Wolf, genannt wurde. Denn Judo ist nicht nur Sport, es ist eine Lebensphilosophie. Der junge Gianni findet sogar Arbeit in den Polikliniken von Neapel. „Die Bezahlung war nicht sonderlich gut. Ich verdiente weniger als ein Maurer; und noch viel weniger als bei einem Überfall. Doch es reichte, um jeden Monat mit Würde zu leben.“
Der richtige Mensch im richtigen Moment
Als Gianni 2005 Star Judo eröffnete, wollte er den jungen Menschen in Scampia die gleiche Chance bieten, die auch ihm geboten wurde. Er wollte und will für andere der richtige Mensch im richtigen Moment sein – wie es „Lupo“ für ihn war. Die Türen stehen für alle offen. „Mehr als die Hälfte der Schüler zahlt nichts. Wie könnte ich auch von einer alleinerziehenden Mutter mit vier Kindern etwas verlangen? Oder von einem Jungen, dessen Vater im Gefängnis sitzt?“ Die Schule kann dank Sozialdarlehen überleben. Und dank vieler Menschen mit einem großen Herz. Auch das italienische Justizministerium beteiligt sich: Bei Star Judo werden junge Kleinkriminelle untergebracht, um in einem gemeinschaftlichen Kontext deren soziale Rehabilitation zu fördern.
Giannis Mission
Gianni hat in seinem Leben viele Erfolge gefeiert. Sein größter sportlicher Erfolg war sicherlich das olympische Gold seines Sohns Pino 2000 in Sydney, wo Gianni als Trainer fungierte. „Nachdem Pino bei Olympia Gold geholt hatte, hatte ich Angebote von überall, um Judoschule zu übernehmen. Doch ich wollte in Scampia bleiben: Ich lebe für meine Heimat. Mit dem Sport kann ich den jungen Menschen hier aufzeigen, dass der eigene Weg nicht schon vorgezeichnet ist, nur weil man hier geboren wurde. Meine Mission ist es, sie von der Straße zu holen.“ Um diese Mission zu erfüllen, träumt Gianni davon, aus Scampia eine Hochburg des Sports zu machen; einen Ort, der für alle zugänglich ist, die sich den Sport sonst nicht leisten könnten; eine Anlaufstelle, in der allen geholfen wird, die Hilfe benötigen. „Die Mädchen und Jungen des Viertels brauchen jemanden, der sie anführt. Wir dürfen sie nicht abstempeln und ausgrenzen.“
Photos: Facebook Gianni Maddaloni