„Fair Play verkörpert den olympischen Gedanken”
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21 April 2022Gemeinschaften bilden, sich in den Dienst der Allgemeinheit stellen und die Umwelt schützten. Nebenbei einen „Sport“ erfinden, den es schon gab, und übers Karate den Kleinen Werte wie Respekt und Inklusion vermitteln.
So schreibt sich die Geschichte von Papa Dame Diop, 53 Jahre alt, Arbeiter aus Bozen. Diop hat in der Stadt Bekanntheit erlangt, indem er ursprünglich aus Eigeninitiative die erste Plogging-Community Bozens ins Leben gerufen hat. Er hat Menschen um sich versammelt, die ihre Zeit für die körperliche Betätigung in den Dienst der Gemeinschaft stellen, indem sie währenddessen Müll von den Straßen aufsammeln. Seit 2021 dann die Rückkehr zum Karate – auch hier darf die soziale Komponente jedoch nicht fehlen: Seine Kampfsportschule ist ein sozialer Sammelpunkt, in dem Mädchen und Jungen unterschiedlicher Herkunft zusammenfinden, um unter anderem die wirtschaftlichen Hürden unserer Gesellschaft zu überwinden, denen vielen Familien ausgesetzt sind.
„Ich laufe gerne und ich mag Sport“, so beginnt Diop seine Geschichte übers Plogging, „als ich mich vor vier Jahren einem Eingriff an meinem Handgelenk unterziehen musste, musste ich Karate eine Zeit lang ruhen lassen. Ich durfte nur laufen. Während meiner Jogging-Touren fiel mir auf, wie viel Müll unsere Straßen pflastert. Daher habe ich irgendwann Müllsäcke zum Jogging mitgenommen und währenddessen den Müll aufgesammelt.“
Genau so funktioniert Plogging. Dieser „Sport“ wurde von kühlen nordischen Köpfen in Schweden erfunden. Das Kofferwort setzt sich aus dem schwedischen Begriff für Aufsammeln, plocka upp, und dem englischen Wort jogging zusammen.
„Am ersten Tag hatte ich nach 10 km zwei volle Müllsäcke in der Hand. Ich habe mich an den Bürgermeister gewandt, um einen Clean City Run in Bozen zu organisieren. Damals wusste ich noch gar nicht, dass es Plogging schon gab oder gar einen Namen hatte.“
Die Plogger von Bozen
Von da an konnte Diop nicht nur auf die Unterstützung der öffentlichen Verwaltung zählen, sondern auch auf die der Bozner Entsorgungsunternehmen, die den mittlerweile zahlreichen Ploggern Handschuhe und Müllsäcke zur Verfügung stellen.
Diop erzählt weiter: „Ich habe allein begonnen, bald kam ein Freund dazu, bald zwei Arbeitskollegen und nach und nach wuchs unsere Gruppe. Direkt von Anfang an habe ich versucht, auch mir bekannte junge Asylanten für die Sache zu gewinnen, um ihnen zu helfen und ihnen das Gefühl zu geben, nützlich zu sein.“
Im Zuge weniger Monate löste die Initiative einen Boom aus und fand Erwähnung in den lokalen Medien. Es entstand offiziell „Ploggers di Bolzano“. Der Verein traf sich in den ersten zwei Jahren mindestens zwei Mal im Monat: Zunächst wurde die Route mit allen abgestimmt, dann ein Treffen vereinbart und das große Rennen nahm seinen Lauf. Oder das große Spazieren – Hauptsache, es wurde dabei Müll aufgesammelt.
„Ich konnte auch meine Arbeitgeber sofort für die Initiative gewinnen. Anschließend gab es auch gemeinsame Runs mit den Studierenden der Universität sowie mit Schülerinnen und Schülern aus Bozen.“
Die Pandemie und der Neustart
Dann kam die Pandemie. „Alles auf Stillstand. 2020 war ein schreckliches Jahr; wir durften uns nicht treffen und gemeinsam Sport treiben. Erst gegen Ende des Jahres konnten wir langsam wieder anziehen.“
Heute zeigt sich die Bozner Plogger-Szene zahlreicher und aktiver denn je. „Wir laufen mittlerweile wieder zwei Mal im Monat mit einer recht großen Gruppe.“
Es war eine Verletzung, die das Leben von Diop fast zufällig vollkommen verändert hat. Zum Besseren: „Ich habe mir selbst und der Stadt etwas Gutes getan.“ Er säubert nicht nur die Stadt, sondern hat es geschafft, eine Gruppe von engagierten Menschen für ein gemeinsames Ziel zu begeistern. Es gibt noch viel zu tun: „Ich höre nicht auf. Ich mache mindestens so lange weiter, bis ich vom Jogging mit einem leeren Müllsack nachhause komme.“
Die Papa Dame Karate Academy
Letztes Jahr dann die Eröffnung der Papa Dame Karate Academy. Ein Ort, wo Diop Bozens Kleinsten das zurückgibt, was ihm der Kampfsport damals, als Kind im Senegal, gegeben hat: Disziplin, Selbstbewusstsein, Werte. Seine Rettung, wie er es nennt.
„Ich wuchs in einem sehr gefährlichen Viertel auf“, so schilderte Diop der Tageszeitung Alto Adige seine Kindheit, „du konntest Opfer von Aggressionen und Überfällen sein, aber auch auf der falschen Seite landen: einer Gang beitreten; kriminell werden, um zu überleben. Karate hat mich Disziplin, Respekt und ein Bewusstsein für meinen Körper und meine Mittel gelehrt. Es hat mich gelehrt, keine Angst zu haben und gleichzeitig nicht abzuheben; Wut und Aggressivität zu kontrollieren; Risiken abzuwägen; und mich zu verteidigen. Ich habe hart trainiert. Ich habe drei Jahre gebraucht, um Technik, Kopf und Geist in Einklang zu bringen. Ich fühlte mich beschützt und sicher.“
Damit jeder die Chance erhält, dies selbst zu erleben, ist die Kampfschule von Diop eine Non-Profit-Organisation: Die Einschreibegebühren dienen nur zur Abdeckung der Spesen. Nichtsdestotrotz wird niemand ausgeschlossen, nur weil die Familie das Geld nicht aufbringen kann. Denn im „Dojo“ wird nicht zwischen Hautfarbe oder Kaufkraft unterschieden. Sobald die weißen Kimonos angezogen werden, sind alle gleich.