Bizzotto: „Jede Geste ist ein wichtiges Zeichen”
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19 April 2022Auf den Gegner warten, anstatt von einem Missgeschick zu profitieren? Im Radsport passiert das häufig. Wir haben darüber mit der jungen Bozner Profi-Radsportlerin Francesca Pisciali vom Südtiroler Team Mendelspeck gesprochen.
Pisciali erzählt: „Im Radsport tut man sich aufgrund seiner Beschaffenheit schwer, von Fair Play zu sprechen. Klar: Die Tatsache, dass eine Gruppe von Helfern mit allen Kräften versucht, deren Kapitän zu unterstützen, ist eine Form des Fair Plays. Will man aber das Fair Play zwischen zwei konkurrierenden Athleten benennen, kommt mir eine ungeschriebene Regel unseres Sports in den Sinn: Hat jemand in der Gruppe ein Problem mit dem Material, einen Kettensprung zum Beispiel, und muss deswegen abbremsen, wird der Fahrer neben ihm, egal welchen Teams, ihn mit der Hand auf seinem Rücken anschieben, damit er nicht aus dem Windschatten fällt. Man hofft, dass der Unglücksrabe das Problem schnell wieder in den Griff kriegt.“
Auch am hinteren Ende des Feldes komme es zu fairen Gesten, so Pisciali: „Ich habe auch schon erlebt, wie auf den letzten Plätzen die Athletinnen unterschiedlicher Teams zusammenarbeiten, um nicht über der Mindestzeit hinauszuschießen und das Ziel zu erreichen, bevor man als DNF (Akronym für „Did Not Finish“, Anm. d. Red.) klassifiziert wird. Ansonsten war’s das mit der nächsten Etappe.”
Trotz ihrer noch jungen 23 Jahre hat Francesca Pisciali eine genaue Vorstellung davon, was Fair Play sein muss: „Wortwörtlich würde man es ja mit ‚rechtes Spiel‘ oder ‚ehrliches Spiel‘ übersetzen. Es ist die perfekte Beschreibung dessen, was in jedem Sport selbstverständlich sein sollte“.
„Fair Play zeigt sich nicht nur mit großen Gesten. Ich denke dabei an die Leichtathletik. An einen Läufer, der, durch Krämpfe geplagt, abbrechen muss. Und an seinen Gegner, der ihn bis zur Ziellinie stützt. Aber ich denke dabei auch an das Verhalten, das alle Sportlerinnen und Sportler beim Ausüben ihrer Leidenschaft zutage bringen. Fair Play baut auf den Respekt für den Gegner und für den dem Spiel immanenten Regeln auf. Auch dem Publikum muss man mit Respekt begegnen.“
Die junge Boznerin kennt einige Fair-Play-Geschichten: „Ich erinnere mich an einen Marathon von vor ein paar Jahren. In den letzten Metern plagten die Führende Krämpfe. Anstatt davon zu profitieren und ihre Gegnerin zu überholen, nahm sich die Zweitplatzierte ihrer an und stützte sie bis ins Ziel“.
„Dann darf man natürlich nicht die Geschichte von Novak Djokovic bei Roland Garros 2014 vergessen. Sein Spiel wurde wegen Regens abgebrochen. Daher hat er dem Balljungen, der für ihn den Regenschirm hielt, den Schirm abgenommen, ihm den Platz neben sich angeboten und gemeinsam mit ihm den Wiederbeginn der Partie abgewartet“.
„Und schließlich die Geste der norwegischen Langläuferin Therese Johaug bei den letzten Winterspielen in Peking. Nachdem sie beim Rennen über 30 km Gold geholt hat, hat sie im Ziel so lange gewartet, bis die letzte Athletin die Ziellinie überquert hat, um dieser zu gratulieren. Eine Geste, die genau für den Geist steht, den De Coubertin damals heraufbeschwören wollte, als er die modernen Olympischen Spiele initiierte.“