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31 August 2023Ein Leben im Sattel, immer auf der Seite der Schwächsten. Ein stiller Champion, der während des Zweiten Weltkriegs Hunderte von italienischen Juden rettete und mit seinen Taten ein Volk am Rande des Bürgerkriegs vereinte
Die nächste Tour de France wird zum ersten Mal in der Geschichte von Italien aus starten, genauer gesagt von Florenz aus. Eine Hommage an Gino Bartali, eine monumentale Persönlichkeit in der Geschichte des internationalen Radsports und des italienischen Sports, eine jener Persönlichkeiten, deren Größe sogar Einfluss auf die Geschichte ganzer Völker und Nationen hatte. Während des Zweiten Weltkriegs riskierte er sein Leben, um das Leben Hunderter Juden zu retten, und nur wenige Jahre später begeisterte er ein Land am Rande des Bürgerkriegs mit seinen Leistungen bei der Tour de France. Ein wahrer Champion, der alles gab, ohne viel Aufhebens zu machen, denn wie er einst sagte, "Gutes wird getan, aber nicht gesagt”, und man erwartet keine Gegenleistung.
Eine Abneigung gegen das Regime
Wir schreiben das Jahr 1936 und Gino Bartali, kaum 22 Jahre alt, hat bereits seinen ersten Giro d'Italia gewonnen. Zwei Jahre später war er Kapitän des italienischen Teams bei der Tour de France und Ginetaccio, so sein Spitzname, gewinnt auch hier. Und das in demselben Jahr, in dem das faschistische Italien, ebenfalls in Frankreich, bei der Fußballweltmeisterschaft triumphiert. Eine sportliche Überlegenheit, die für das Regime die Überlegenheit der "italienischen Rasse" symbolisieren sollte. Nach seinem Sieg beschloss Bartali jedoch, weder den Arm zum römischen Gruß zu heben noch das Regime zu erwähnen, sondern den Sieg der Jungfrau Maria zu widmen. In seinem Heimatland kommt seine Abneigung gegen das Regime nicht gut an und bei seiner Rückkehr erhält er nicht die Ehrungen, die ihm zustehen. Bartali kümmert sich jedoch nicht darum und tritt weiter in die Pedale, auch als es in Italien Bomben regnet und die Halbinsel in den Zweiten Weltkrieg eintritt. Diesmal jedoch nicht, um Rennen zu gewinnen, sondern um Leben zu retten.
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Gutes wird getan, aber nicht gesagt
Mit dem Ausbruch des Krieges werden auch die Rassengesetze verschärft, die die Juden als zu eliminierende Feinde betrachten. Elia Dalla Costa - der Erzbischof von Florenz - bittet Bartali daher um Hilfe. Der Spitzensportler aus Ponte a Ema nutzt seine Trainingsfahrten, um gefälschte Papiere unter dem Sattel und im Rahmen seines Fahrrads zu verstecken. Er radelte sogar 230 Kilometer, von Florenz nach Assisi, um sie an ihr Ziel zu bringen. Die Dokumente ermöglichten es vielen Juden, ihre Identität zu wechseln und der Verfolgung zu entgehen.
Obwohl Bartali ein etablierter und bekannter Radfahrer war, wurde er wiederholt angehalten und durchsucht, aber niemand fand die Dokumente in seinem Fahrrad. In diesem Fall wäre es die sofortige Hinrichtung gewesen. Bartali hat nie jemandem etwas von seiner Mission erzählt, weder während des Krieges noch danach, denn "Gutes wird getan, aber nicht gesagt. Und bestimmte Medaillen hängen an der Seele, nicht an der Jacke". Das war aber noch nicht alles. Er brachte zudem eine jüdische Familie im Keller seines Hauses unter und versteckte sie. Es wird geschätzt, dass er durch seinen Mut rund 800 Menschenleben gerettet hat. Für sein Engagement wurde er 2013 von Yad Vashem in Jerusalem in die Liste der "Gerechten unter den Völkern" aufgenommen.
Die Nachkriegszeit
1946 wurde der Rennsport wieder aufgenommens und Bartali meldete sich eindrucksvoll zurück: Er gewann erneut die “Corsa Rosa” und besiegte den aufstrebenden Fausto Coppi. Zwei Jahre später stand Italien kurz vor einem Bürgerkrieg: Togliatti wurde ermordet und Ministerpräsident De Gasperi war der Meinung, dass eine große sportliche Leistung die Einheit und die Begeisterung des Landes wiederherstellen könnte. Eine Mission, mit der der Ministerpräsident Bartali persönlich beauftragte: Der toskanische Champion lag in der Gesamtwertung 21 Minuten zurück und die Aufgabe schien unmöglich. In den Alpen tritt Bartali jedoch stärker denn je in die Pedale und gewinnt mit 34 Jahren, 10 Jahre nach seinem ersten Mal, die Tour de France. Italien ist außer sich vor Freude.
Im Jahr 2024 wird die Grande Boucle anlässlich des hundertsten Jahrestages des ersten italienischen Sieges zum ersten Mal mit drei italienischen Etappen beginnen. Als Hommage an Bartali und seine Legende wird der Start der ersten Etappe am 29. Juni in Florenz erfolgen.