Den Sieg wegen eines Schiedsrichterfehlers opfern: Das Beispiel von Marco Bee
10 Januar 2025Es gibt Geschichten, die durch ihre Kraft, gesellschaftliche Grenzen zu durchbrechen, unvergessen bleiben. Sie zeigen, wie Talent, Leidenschaft und Mut die Spielregeln für immer verändern können. Die Lebensgeschichte von Paula Wiesinger, einer außergewöhnlichen Skifahrerin und Bergsteigerin aus Bozen, gehört zweifellos dazu. Von ihrer legendären Teilnahme am Trofeo Mezzalama, bei der sie die männlich dominierten Konventionen ihrer Zeit herausforderte, über den Gewinn von Weltmeistertiteln bis hin zu ihren beeindruckenden alpinistischen Leistungen in den Dolomiten: Paula überwand jede Grenze und schrieb Geschichte.
Der Triumph von Mezzalama: ein Akt des Widerstands
Im Mai 1935 wurde auf den Gipfeln des Monte Rosa die Trofeo Mezzalama ausgetragen – ein Skibergsteigen-Rennen, das damals ausschließlich Männern vorbehalten war. In einer Ära, in der Frauen von Extremsportarten ausgeschlossen waren, ergab sich für Paula Wiesinger eine einmalige Gelegenheit: Als Zuschauerin vor Ort sprang sie spontan für den verletzten Teilnehmer Giusto Gervasutti ein.
Ohne zu zögern schlüpfte Paula in Gervasutti's Kleidung und stellte sich der Herausforderung. Mit bemerkenswerter Kraft und Entschlossenheit meisterte sie die anstrengenden Aufstiege und riskanten Abfahrten. Doch bei einer Kontrolle auf 4200 Metern wurde ihre wahre Identität aufgedeckt, und sie musste das Rennen abbrechen. Trotzdem wurde ihr mutiger Einsatz zum Sinnbild dafür, wie man gesellschaftliche Konventionen mit Entschlossenheit überwinden kann.
Eine Karriere, die ihresgleichen sucht
Mezzalama war aber nur eines von vielen Kapiteln, die Paula Wiesinger zur Legende machten. 1907 in Bozen geboren, hatte sie sich bereits früh als Ausnahmetalent im Skisport etabliert. Mit einer Goldmedaille bei den Weltmeisterschaften 1932 in Cortina und 15 nationalen Titeln war ihr Name ein Synonym für sportliche Exzellenz.
Eine Episode aus ihrer Karriere zeigt besonders eindrucksvoll ihre Vielseitigkeit und mentale Stärke: 1931, bei den italienischen Meisterschaften in Roccaraso, war Paula überzeugt, an einem Langlaufwettbewerb teilzunehmen, und trat mit der falschen Ausrüstung zu einem alpinen Skirennen an. Trotz dieser denkbar ungünstigen Voraussetzungen triumphierte sie und sicherte sich den Titel – ein weiterer Beweis für ihre außergewöhnliche Willenskraft.
Pionierin in den Dolomiten
Paulas Leidenschaft für die Berge beschränkte sich nicht nur auf den Skisport. Sie war auch eine der furchtlosesten Bergsteigerinnen ihrer Zeit. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Hans Steger eröffnete sie einige der anspruchsvollsten Routen in den Dolomiten, darunter die Südkante der Punta Emma und die Südwand des Rosengartens. Diese Touren erforderten nicht nur körperliche Kraft, sondern auch höchste geistige Konzentration.
Den Vorurteilen ihrer Zeit begegnete Paula nicht mit großen Worten, sondern mit beeindruckenden Taten. Sie widerlegte Klischees und bewies, dass Mut und technisches Können keine Frage des Geschlechts sind. Ein denkwürdiger Moment ihrer Kletterkarriere war die Bemerkung des belgischen Königs Albert, der während einer schwierigen Klettertour mit Paula seine Begleiter beruhigte: „Wenn eine Frau das schafft, kann es nicht so gefährlich sein“. Auch wenn diese Worte die kulturellen Barrieren der damaligen Zeit widerspiegeln, unterstreichen sie doch den Respekt, den sich Paula durch ihre Leistungen verdient hatte.
Ein Vermächtnis für die Ewigkeit
Die Geschichte von Paula Wiesinger ist ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Sport zu einem Katalysator für gesellschaftlichen Wandel werden kann. Ihr Leben zeigt uns, dass Leidenschaft und Talent alle Barrieren überwinden und den Weg für zukünftige Generationen von Athletinnen und Athleten ebnen können. Paula wird nicht nur als herausragende Sportlerin in Erinnerung bleiben, sondern auch als Symbol für Entschlossenheit und Widerstandskraft. Ihr Vermächtnis lebt in den Gipfeln, die sie erklommen hat, und in den Herzen all jener, die sich von ihrer außergewöhnlichen Geschichte inspirieren lassen.
Eröffnungsbild: Paula Wiesinger, foto Wikipedia (Ausschnitt)