„Amigos de Matteo“, ein Leben im Zeichen der Inklusion
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4 August 2022Das markanteste Bild der langen Karriere von Alessandra Cappellotto ist jenes, auf dem sie nach ihrem Sprint mit zum Himmel gestreckten Armen über die Ziellinie bei den Straßen-Weltmeisterschaften 1997 in San Sebastian radelt und sie sich damit die Goldmedaille holt.
25 Jahre danach hat sie die Radlerschuhe an den Nagel gehängt und sich ein neues Ziel gesetzt: Frauen dieser Welt – besonders jenen aus Entwicklungsländern – zu ermöglichen, sich über den Sport wie das Fahrradfahren zu emanzipieren. Zu diesem Zweck hat sie Road to Equality gegründet, ein „Tochterverband“ des CPA Women, der internationalen „Fahrerinnen-Gewerkschaft“, der sie als Präsidentin vorsitzt.
„Noch bevor ich Road to Equality gegründet habe, hatte ich schon Kontakt zu Sportlerinnen aus Afrika oder Asien. Ich unterstützte sie, wo ich nur konnte, um ihnen weiterhin die Möglichkeit zu geben, Sport auszuüben. Ich stattete sie mit Sportequipment aus und half ihnen bei bürokratischen Angelegenheiten, wenn sie ihr Land verlassen mussten. Dies geschah jedoch unabhängig von der CPA Women“, erzählt Cappellotto. Daher kam ihr die Idee, einen eigenen Sportverband mit Sitz in Italien zu gründen, sodass sie ihre Initiativen effizient vorantreiben kann, ohne dass ein Interessenkonflikt mit der CPA entsteht.
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Der Grundgedanke des Projektes liegt darin, dass Frauen sich über den Sport emanzipieren können. Insbesondere in Ländern, wo sie sich nach wie vor Diskriminierung ausgesetzt sehen und nicht anhand ihrer Qualitäten bewertet werden. Road to Equality will den kommenden Generationen ein neues Rollenbild vermitteln, auf lokaler Ebene Arbeitsplätze und Ausbildungsmöglichkeiten für nach der Karriere schaffen sowie die Athletinnen bei den einzelnen Etappen ihrer Karriere begleiten. Cappellotto erzählt weiter: „Die Radlerinnen aus Ruanda sind in ihrem Land Superstars und haben vielen Menschen etwas Hoffnung nach den Schrecken des Genozids von vor 28 Jahren geschenkt. Sie sind bei unzähligen Rennen angetreten und sind zu Berühmtheiten geworden. Nun wollen wir, dass das Gleiche in Afghanistan geschieht.“ Letzten August, als die Taliban die Macht im Land an sich rissen, half Road to Equality 14 Menschen bei der Flucht, darunter fünf Radfahrerinnen. Sie wurden nach Italien geführt, um hier ein neues Leben zu beginnen.
Ein prestigeträchtiger Preis
Ein schwierige, aber noble Arbeit, die auch bei internationalen Organisationen wie Amnesty International nicht unbemerkt blieb. Amnesty hat Cappellotto und ihrem Projekt vor ein paar Wochen den Preis „Sport und Menschenrechte“ zuerkannt. „Dank ihrer Arbeit können viele Radfahrerinnen ihrer Leidenschaft in Italien unter menschlich und technisch hervorragenden Bedingungen nachgehen. ‚Road to Equality‘ hat die Grenzen der Diskriminierung durchbrochen. Cappellotto ist eine Gewinnerin – als Rennfahrerin und als Menschenrechtlerin“, so der Sportjournalist und Vorsitzende der Jury, Riccardo Cucchi.
„Es ist unglaublich, damit habe ich nicht gerechnet“, freut sich Cappellotto, „viele Menschen helfen anderen. Ich habe nur im Kleinen gewirkt – ich hätte nicht gedacht, dass man das bemerkt. Diese Auszeichnung belohnt unsere Mühen, was mich ungemein freut. Das werde ich nie vergessen.“
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Fair Play? „Bereichert unser Leben“
In ihrer Karriere hat Cappellotto viele Rennen bestritten und viel Medaillen gewonnen. Fair Play und der Respekt gegenüber ihren Gegnerinnen zog sich wie ein roter Faden durch ihre 45-jährige Laufbahn auf dem Sattel. „Sport ist das Schönste auf der Welt. Er lehrt uns, mit anderen Menschen zu interagieren und sie einzubeziehen, egal auf welchem Level. Sport bedeutet gemeinsames Leben und Erleben. Und er bereichert auch das Leben der Kinder: Sie lernen gutes Benehmen, Disziplin, den Respekt vor Hierarchien und Teamgeist“, so Cappellotto abschließend.