„Fair Play verkörpert den olympischen Gedanken”
18 April 2022Die Erinnerung an wichtige Sportereignisse ist oft eng mit jenen verbunden, die sie erzählen. Diese großen Ereignisse werden von den großen Kommentatoren der Geschichte zugeführt. Deren persönliche Geschichte setzt sich jedoch aus unzähligen Erzählungen zusammen – aus weitaus mehr als jenen, die schließlich in die Geschichte eingehen. Im Laufe ihrer Laufbahn sammeln Kommentatoren Geschichten und Anekdoten, bis diese zu Parabeln menschlicher Erfahrungen werden.
Wir haben daher mit Stefano Bizzotto gesprochen. Bizzotto ist Mitglied der WeFairPlay-Jury und eine der großen Stimmen von Rai Sport. Hier erzählt er uns Episoden aus seiner Laufbahn, die ihm bis heute in Erinnerung geblieben sind.
„Die Geschichte des Fußballs – und des Sports im Allgemeinen – ist reich an Fair-Play-Episoden. Meistens sind es Klassiker wie: ‚Nein Schiri, das war kein Foul‘, nachdem der Unparteiische einen Strafstoß gegeben hat. Und wenn man 3:0 führt, ist es einfach, mal ‚fair‘ zu sein.“
Pessotto und Di Canio - Botschafter des Fair Plays
„Ein Ereignis, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist, trug sich während des berüchtigten Spiels zwischen Perugia und Juventus im Jahr 2000 zu. Es regnete in Strömen und es ging um die Meisterschaft. Die Partie war zuvor abgebrochen worden, während auf einem anderen Platz Lazio ihr Spiel gewonnen hatte. Juventus brauchte die drei Punkte, um noch Meister zu werden. Doch Perugia ging in Führung. In dieser bereits verzweifelten Situation sprach Schiedsrichter Pierluigi Collina der alten Dame einen Einwurf zu – doch Gianluca Pessotto gab zu, den Ball als Letzter berührt zu haben, womit er in einem der wichtigsten Augenblicke der Saison den Ballbesitz abgab. Collina ging auf ihn zu und gab ihm die Hand.“
„Eine weitere Episode, die ich nicht mehr vergessen werde, trug sich im gleichen Jahr zu. Paolo Di Canio spielte damals für West Ham. Hier ging es nicht um den Meistertitel, dennoch war es eine große Geste: Allein vor dem freien Tor (in den letzten Minuten bei Gleichstand gegen Everton, Anm. d. Red) entschied Di Canio, die Aktion abzubrechen und den Ball zu fangen, weil der gegnerische Torhüter außerhalb des Strafraums nach einem Zusammenstoß verletzt liegengeblieben war.“
Die Rolle des Sports in der Erziehung
Das sind die wichtigen Zeichen des Sports, zumal sich diese auf höchstem Level ereignet haben. „Jede Fair-Play-Geste ist ein Zeichen für alle, die den jeweiligen Sport ausüben, egal auf welchem Level. Der Respekt für den Gegner sollte immer an erster Stelle stehen – besonders, wenn sich ein ungerechtes Ungleichgewicht gebildet hat. Dieses Prinzip sollte über allem stehen. Natürlich ist es wegen des Wettbewerbs oft nicht so.“
„Je weiter man bei den Ligen nach unten schaut, umso weniger überwiegt der Wettbewerb. Fair-Play-Gesten findet man in den niederen Sphären leichter.“ Denn ganz oft sind es Mädchen und Jungen, die mit gutem Beispiel vorangehen. „Es ist wichtig, dass sie solche Dinge im Jugendbereich erleben, denn daraus bildet sich der Charakter. Der Jugendsport sollte in erster Linie einen didaktischen und pädagogischen Zweck erfüllen, wenngleich wir ganz andere Geschichten kennen, bei denen leider besonders gerne die Eltern beteiligt sind.“
Wasserspringer: Eine Werte - und Zielgemeinschaft
Man kann es kaum glauben, aber in Italien besteht der Sport aus mehr als nur aus Fußball. Seit mehr als 20 Jahren kommentiert Bizzotto die wichtigsten Events rund ums Wasserspringen. Seine Stimme hat die außergewöhnliche Karriere von Tania Cagnotto begleitet. Auch der Star aus Bozen wird Teil der WeFairPlay-Jury sein.
„Wasserspringen verhält sich anders zum Fair Play, zumal die direkte Auseinandersetzung zwischen den Mitstreitern fehlt. Vielleicht bildet sich genau deshalb ein Gemeinschaftsgefühl mit Zielen und Werten heraus, aufgrund dessen die Ersten, die einem nach einem gut gelungenen Sprung gratulieren, die eigenen Gegner sind.“
Die Sportlichkeit ist immer da: „Letztes Jahr bei Tokio 2021 durften wir miterleben, wie Ken Terauchi mit 41 Jahren seine Karriere bei seinen sechsten Olympischen Spielen beendete. Seine Karriere reichte bis ins letzte Jahrtausend zurück – eine Ewigkeit für einen Wasserspringer. Zuhause in Japan ist es ihm gelungen, noch einmal ein Finale vom 3-Meter-Brett zu erreichen. Wegen der Pandemie waren keine Zuschauer anwesend – daher waren es die Athleten und Betreuer der anderen Nationen, die ihn nach dem Sprung mit Standing Ovations verabschiedeten. Das war ein sehr emotionaler Moment.“